Der österreichische Arbeitersport hatte seine Wurzeln in den Arbeiterbildungsvereinen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verstärkte sich die Solidarität unter der Arbeiterschaft als Folge der neoabsolutistischen Ära des Nachmärz. Nicht zuletzt machten die militärischen Niederlagen des Absolutismus in den Kriegen von 1859 und 1866 den Boden für die Aufnahme sozialistischer Gedanken locker. Der erste Arbeiterverein war ein Fortbildungsverein für Buchdrucker in Wien (gegr. 1863). Dieser wurde von der Behörde bald wieder aufgelöst.
Je härter die Repression desto lauter wurden die Forderungen nach Koalitionsfreiheit, Versammlungsfreiheit und das Verlangen nach einem allgemeinen gleichen und direkten Wahlrecht. Die politischen Gedanken Ferdinand Lassalles beeinflussten auch die Ideologie der österreichischen Arbeiterschaft. Im Oktober 1867 ermöglichte das Vereins- und Versammlungsrecht, als Teil des lang ersehnten Staatsgrundgesetzes, die Gründung des Wiener Arbeiterbildungsvereines, der sich am 15. Dezember 1867 konstituierte. Zwar betätigte sich dieser Verein zunächst tatsächlich auf dem Gebiet des Unterrichts in Realfächern und Sprachen, doch zeigte sich dann, dass er darüberhinaus von den Mitgliedern als die Basis für eine Interessensvertretung auch in politischer Hinsicht angesehen wurde.
Schon damals wollte man die Tätigkeit der Arbeiterturnvereine nicht ausschließlich auf das Turnen beschränken. Das Ziel war eine harmonische Körperausbildung und die größtmögliche Vielseitigkeit. Die Turner drängten ins Freie und wollte die sportlichen Übungen unter der Einwirkung von "Luft, Licht und Sonne" ausüben. Das Wandern und Bergsteigen wurde zu einer der beliebtesten Freizeitbetätgungen. An dieser Stelle ist es interessant anzumerken, dass sich trotz dieser Bestrebungen die "Naturfreunde" als eigenständige Organisation völlig unabhängig von den Arbeiterturnern konstituierten. Die Sommerturnplätze, den ersten pachtete 1908 der Allgemeine Turnverein in Wien Sievering, boten Raum für die "Turnspiele", zu denen Faustball und das damals sehr beliebte Raffball zählten. Schon seit der Jahrhundertwende wurde das Schwimmen gepflegt, 1909 gründeten die Wiener Turner den Arbeiter-Schwimmverein. Die Kraftsportarten Stemmen und Ringen und das Fußballspielen erweiterten das damalige Sportangebot.
Vier Vereine zählten zu den ältesten Pionieren der Arbeiter-Turnbewegung. Aus ihrem Zusammenschluss sollte 1919 der WAT hervorgehen. Der Allgemeine Turnverein Wien, er ging direkt aus der Turnsektion des Arbeiterbildungsvereines hevor, hatte das Zentrum seiner Tätigkeit im 6. und 8. Bezirk aber auch im Favoritner Arbeiterheim und am vorhin erwähnten Sommerturnplatz in Sievering (Kaasgraben). Vielleicht war es auch dieser Verein, der mit dem damals 18-jährigen Leopold Benisch zum Begründer der heutigen Jazzgymnastik wurde. "Benisch erzählt, wie er 1898 dem Verein beitrat, als gerade die Freiübungen für das in den Stadtgutsälen vorgesehene Schauturnen geübt wurden, und wie er mit seiner Violine immer wieder den "Lassalle-Marsch" spielen musste, weil es "mit Musik'" besser klappte." (Gastgeb H., Vom Wirtshaus zum Stadion, S. 127). Emmerich Wenger verbreitete auch den Skisport in der Arbeiterschaft. Von einer Reise nach Norwegen brachte er das erste Paar Ski mit,und als er mit seinen Freunden am Bierhäuslberg unterwegs war, gab es eine "Tragikkomödie" mit dem Durcheinander von Hölzern und Beinen. Die Turner waren Naturfreunde. Das bewiesen sie nicht nur durch ihre Mitgliedschaft beim Touristenverein Die Naturfreunde, der 1895 begründet wurde, sondern zeitweise auch als Mitglieder der Kunst- und Naturfreunde, die, vom Buchdrucker Täubler begründet, zunächst gegen die "Kilometerfresser" Stellung nahmen und neben den Ausflügen auch Exkursionen in Kunststätten und Betriebe veranstalteten.....Der Allgemeine Turnverein war in seiner Einstellung von Beginn an ein Allroundsportverein." (a.a.O.,S.128).
Im Gasthaus Bartsch, dem späteren Floridsdorfer Arbeiterheim, begann der Allgemeine Arbeiter-Turnverein Floridsdorf seine Tätigkeit. Ein Schulturnsaal wurde ihm von der christlichen Gemeinderatsmehrheit nicht zur Benützung freigegeben. Nach zeitweiliger Unterbrechung des Turnbetriebes mangels Geld und Räumlichkeiten schlug man sich von Wirtshaus zu Wirtshaus durch., Ein geeigneter Saal in der Rußtongasse blieb auch nicht lange Heimstatt der Floridsdorfer, da dieser 1907 durch Hochwasser stark beschädigt wurde. Wie die Ottakringer fanden die Floridsdorfer nach Fertigstellung ihres Arbeiterheimes dort ihr Zuhause.
In diesen vier Wiener Arbeiterturnvereinen entwickelte sich ein reges Vereinsleben, dem mit Ausbruch des ersten Weltkrieges ein jähes Ende gesetzt wurde. Zwar fanden sich einige Unentwegte auch noch im Uniformrock des Kaisers zu Übungen an improvisierten Geräten zusammen, der Turnbetrieb, so vielversprechend er begonnen hatte, konnte nicht aufrecht erhalten werden. Nach und nach wurden auch die jüngsten und ältesten Jahrgänge zu den Waffen gerufen und viele Arbeiterturner blieben für immer auf dem zweifelhaften "Feld der Ehre".
Der WAT erreichte als Organisation bald wieder die Größe und Mitgliederstärke der Zwischenkriegszeit. Die großen Veranstaltungen am 1.Mai und die Republikfeiern zum 12. November bildeten alljährliche Höhepunkte, bei denen anfangs das Wiener Stadion noch bis in die letzten Ränge mit Zusehern gefüllt war. Das Interesse ließ im Lauf der Jahre nach. Die Gründe dafür dürften in der wachsenden Mobilität, der individuelleren Freizeitgestaltung und nicht zuletzt am medialen Transport der Veranstaltungen durch das Fernsehen gelegen haben. Ein Problem, das sich auch bei allen anderen Sportveranstaltungen stellte und noch stellt. Ein Umdenken erforderte auch die Tatsache, dass für viele Funktionäre und MitarbeiterInnen der Verein nicht mehr das "Ein und Alles" war, wofür sie ihre gesamte Freizeit opferten. In manchen Fällen dürfte der Generationskonflikt mitgespielt haben. Es war die Zeit, in der die jüngeren Jahrgänge aktiv wurden, die den "klassischen Arbeitersport" der Zeit vor 1934 nicht mehr selbst erlebten.
Die Zeit der Siebziger Jahre des WAT ist geprägt durch die Präsidentschaft von Hans Bock. Die Leitlinien des Wiener Arbeiter Turn- und Sportvereines wurden in dieser Zeit beschlossen und stellten als Reaktion auf die neue Zeit die Basis für die zukünftige Entwicklung zu einem modernen Sportverein dar. Das WAT Journal wurde zu einer repräsentativen Zeitschrift umfunktioniert, die Mitgliederzahl war wieder im Steigen und eine Reihe von Sportshows des WAT wurden mit großer Resonanz in der Öffentllichkeit durchgeführt.
Hans Bock (1980): " Die Stärke unserer Bewegung ist es, sich nie mit Erreichtem selbstzufrieden zu bescheiden, sondern stets an der Verbesserung der Zukunft weiterzuarbeiten. Darunter verstehen wir auch, unsere große Organisation mit einer intensiven Mitgliederwerbung noch stärker auszubauen. Die reiche Palette unserer Möglichkeiten auf dem Sportsektor ist unsere Stärke, sie wollen wir nützen, um unsere Gruppen und Sparten zu noch größeren Aktivitäten zu motivieren. Die Entwicklung des WAT zum großen sportlichen Leistungsträger hat sich in den letzten Jahren in rasantem Tempo vollzogen. Diese steile Entwicklung wollen wir weiter forcieren."
Kein gesellschaftliches Phänomen läßt sich losgelöst von den geschichtlichen Wurzeln verstehen. So ist es auch mit dem WAT. Auf der Basis eines Geschichts-, und wenn man so will, Tradionsbewusstseins geht die Entwicklung täglich weiter. Bloße Tradtitionspflege wäre zu wenig. Der WAT zählt heute zu Österreichs größten Allround-Sportvereinen und bietet 650 Sportmöglichkeiten pro Woche in 48 verschiedenen Sportarten.
Der Stelllenwert des Sports bekommt aufgrund der Tatsache, dass den Menschen immer mehr Freizeit zur Verfügung steht, immer größere Bedeutung. Ein vermehrtes Gesundheits- und Körperbewußtsein prägt unsere Zeit. Andererseits muss man zur Kenntnis nehmen, dass der Sport als profitträchtiges Marktsegment erkannt wurde. Dies machen sich kommerzielle Sportanbieter immer mehr zunutze und stellen damit eine starke Konkurrenz für die "klassischen" Sportvereine, daher auch für den WAT, dar. Gerade deshalb wird es auch unsere zukünftige Aufgabe sein, allen Menschen die Möglichkeit zu bieten, Sport zu erschwinglichen Preisen auszuüben. Hier sehen wir einen sozialpolitischen Auftrag. Das wird nicht zuletzt nur dann möglich sein, wenn die tragende Säule des WAT, die unermüdliche, ehrenamtliche Mitarbeit, weiterhin unsere Sportbewegung trägt. Daneben wird es notwendig sein, in vielen Bereichen neue Wege aufzuzeigen. Der Erweiterung und Verbesserung unseres Sportangebotes, der fachlichen Schulung und dem "Vermarkten" des WAT in der Öffentlichkeit wird unser Hauptaugenmerk gelten müssen.
Freude an der Bewegung, Ausgleich zur täglichen Arbeitsbelastung und nicht zuletzt schöne gemeinsame Erlebnisse sind ein Anliegen des WAT.